In dieser Arbeit verwende ich Begriffe, die anderswo entwickelt wurden. Im
Folgenden werden nur die Begriffe vorgestellt, auf die Hintergründe wird hier
nicht eingegangen (Lauer 2013 und
Lauer 1997). Die verwendete Vorgehensweise der
Explikation habe ich oben erläutert (Kapitel 2.2). A. Politik
Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie über die Kompetenz-Kompetenz
verfügt: In diesem Bereich wird erstens festgelegt, welche Probleme öffentlich,
welche privat gelöst werden müssen, zweitens werden hier Handlungsmaximen,
Handlungsstrategien, Handlungsinstrumente und Handlungsanweisungen entschieden,
d.h. es werden politische Entscheidungen getroffen. Weiterhin wird bestimmt,
innerhalb welcher Subsysteme, welcher Institutionen mit welchen
Handlungsstrategien und Mitteln die öffentlich festgelegten und von der
Gemeinschaft wahrzunehmenden Aufgaben erledigt werden (z.B. konkrete
Ausgestaltung der sozialen Sicherung,
Lauer 1998).
B. Politische Handlungsmaximen
Zu den politischen Handlungsmaximen (Leitlinien, Maximen, Normen, Prinzipien
und Werte), kantisch gesprochen Maximen des Handelns, gehören alle Normen, die
nur Sollens-Sätze enthalten (politische, nicht ethisch-moralische Normen).
Handlungsmaximen sind normative Normierungen, die das Wertesystem einer
Gesellschaft abbilden. Sie stiften die Identität eines politischen Systems und
schaffen den normativen Rahmen für soziale Abläufe, wodurch eine politische
Gemeinschaft an Stabilität gewinnt. Dies gilt sowohl für Handlungsmaximen im
weiteren Sinne wie z.B. „Gerechtigkeit“, „Gleichheit“ oder „Fairness“ als auch
für sachbereichsspezifische und konkretisierbare Handlungsmaximen für die
soziale Sicherheit.
Die politischen Handlungsmaximen werden in politisch-normativen Wertdiskursen
ermittelt, es handelt sich um Kriterien, mit denen man politisch-pragmatische
Handlungsstrategien, politisch-technische Handlungsinstrumente und einzelne
politische Handlungsanweisungen mit den Prädikaten gerecht oder ungerecht
bewerten kann, die Gerechtigkeit von politischen Maßnahmen wird damit ermittelt.
Bei diesen Handlungsmaximen handelt es sich nicht um letztendliche Normen
oder Werte, die religiös oder politisch-philosophisch begründet werden, wie dies
innerhalb der Politikwissenschaft in normativ-ontologischen Ansätzen z.B.
prominent von Eric Voegelin (2004 [1952]) oder Leo
Strauss (1977 [1953])
vertreten wurde. Es sind keine Normen oder Werte, aus denen man gar
politisch-pragmatische Handlungsstrategien, politisch-technische
Handlungsinstrumente oder Handlungsanweisungen ableiten kann. Wichtig ist, dass
alle Handlungsmaximen, wie David Ross dies für ethische Normen festgehalten hat
(Ross 1967 [1930]), Prima-facie-Normen sind, d.h., man muss sich bewusst sein,
dass man aus politischen genauso wie aus ethisch-moralischen Normen nicht direkt
konkrete Handlungsanweisungen ableiten kann.
Die Kodifizierung der politischen Handlungsmaximen findet man in Deutschland im
Grundgesetz, genauer in den ersten 20 Artikeln. Änderungen werden sehr selten
vorgenommen, hingegen steht die Auslegung und Interpretation dieser
Handlungsmaximen täglich auf der Tagesordnung und wird von der Judikative
insgesamt, nicht nur vom Bundesverfassungsgericht vorgenommen. Weiterhin trägt
auch die Exekutive durch deren tägliche Anwendung zu einer Weiterentwicklung
bei, indem sie den Interpretationsspielraum nutzt, die eigentlich jede
Regulierung den Ausführenden offenlässt, ja aus prinzipiellen Gründen sogar
offenlassen muss (vgl. Aporien der praktischen Vernunft,
Kapitel 3.1.3, E).
Für den Bereich der Sozialpolitik unterscheide ich zwischen einer Kultur der
Solidarität und einer Kultur der Eigenverantwortlichkeit. Es ist wichtig, dass
diese komplementär zueinander entwickelt werden (Lauer 1998).
C. Politische Handlungsstrategien
Unter politischen Handlungsstrategien sind Möglichkeiten des Handelns zu
verstehen, die noch nicht konkret ausgeformt sind. Diese Strategien geben den
Weg vor, der beschritten werden kann, um mit Hilfe von konkreten
Handlungsinstrumenten in das soziale Gefüge der Gesellschaft einzugreifen. Dabei
handelt es sich immer um Optionen, die je nach Situation gewählt werden können.
Handlungssubjekte sind Vereine, Familien, Unternehmen, vor allem aber der Staat.
Es handelt sich bei den Handlungsstrategien um pragmatische Regelungen (Seins-
und Sollens-Sätze). Politische Handlungsstrategien sollten erstens auf einer
rationalen Analyse aufbauen, zweitens langfristige, klare Ziele vorgeben und
drittens erklären, mit welchen politischen Handlungsinstrumenten die für ein
Politikfeld geltenden Handlungsmaximen unter Berücksichtigung der verfügbaren
Mittel und Möglichkeiten zu erreichen wären.
Politische Handlungsstrategien werden in politisch-pragmatischen
Zieldiskursen ermittelt. Mit Hilfe der pragmatischen Handlungsstrategien kann
man technische Handlungsinstrumente oder technische Handlungsanweisungen
dahingehend bewerten, ob diese klug oder unklug sind, im Fokus steht die
Klugheit von politischen Maßnahmen.
Das deutsche soziale Sicherungssystem hat meiner Meinung nach fünf Säulen
(Beveridge- und Bismarck-Säule, private und zivilgesellschaftliche Säule sowie
die Familien-Säule) und damit fünf unterschiedliche strategische Wege oder
Handlungsstrategien, die Risiken „Armut“ und „Krankheit“ zu bewältigen. Diese
fünf politischen Handlungsstrategien sollten beibehalten und komplementär
weiterentwickelt werden (Lauer 1998).
D. Politische Handlungsinstrumente
Auf der operativen Ebene sind politische Handlungsinstrumente die praktische
Umsetzung von Handlungsmaximen und Handlungsstrategien, deren konkrete Form auf
Handlungsmaximen und Handlungsstrategien beruht, die ihre Ausgestaltung normativ
vorgeben, aus denen sie aber wegen der Prima-facie-Eigenschaft von Normen (Ross
1967 [1930]) nicht abgeleitet werden können. Dabei handelt es sich immer um
Optionen, die je nach Situation gewählt werden können. Handlungssubjekte sind auch in diesem Fall Vereine, Familien, Unternehmen,
vor allem aber der Staat. Es handelt sich bei den Handlungsinstrumenten um
technische Regulierungen (Seins- und Sollens-Sätze).
Politische Handlungsinstrumente werden in politisch-technischen
Mitteldiskursen generiert. Politische Handlungsinstrumente oder technische
Handlungsanweisungen kann man dahingehend bewerten, ob diese effizient oder
uneffizient sind, die Effizienz (Wirksamkeit) von politischen Maßnahmen steht im
Zentrum der Untersuchung.
Das deutsche Sozialsystem kennt folgende gesetzlichen Handlungsinstrumente:
Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Grundsicherung
für Arbeitssuchende (auch Hartz IV oder Arbeitslosengeld II genannt, bis 2005
Arbeitslosenhilfe), Jugendhilfe, Kinder-, Erziehungs- und Wohnungsgeld,
Ausbildungs- und Vermögensbildungsförderung, Soziale Entschädigung,
Lasten-ausgleich, Wiedergutmachung, gesetzliche Renten-, Arbeitslosen-,
Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung. Es kommt meiner Meinung nach darauf
an, die einzelnen politischen Handlungsinstrumente kohärent nach einer
politischen Kultur und einer politischen Handlungsstrategie zu reformieren bzw.
weiterzuentwickeln und die einzelnen Instrumente komplementär zueinander
auszugestalten und nicht nach einem Patentrezept zu suchen (Lauer: 1998).
E. Politische Handlungsanweisungen
Handlungsanweisungen oder -entscheidungen findet man auf der operativen
Ebene. Politisch-technische Handlungsinstrumente bestehen in der Regel aus
mehreren Handlungsanweisungen, die eine konkrete Handlung vorgeben, z.B. die
Festsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre.
F. Praktische Urteile
Praktische Urteile sind Bewertungen der politischen oder sozialen Realität,
d.h. von politischen Handlungen und politischen Regulierungen. Genauso wie es
drei verschiedene Typen von Diskursen (Wert-, Ziel- und Mitteldiskurse) gibt,
müssen auch drei verschiedene praktische Urteilsmöglichkeiten unterschieden
werden:
a. Politisch-normative Urteile: Mit Hilfe von politischen
Handlungsmaximen wird die politische und soziale Realität innerhalb eines
politisch-normativen Wertdiskurses, in dem der normative Ansatz verwendet wird,
mit den Prädikaten gerecht oder ungerecht bewertet.
b. Politisch-pragmatische Urteile: Mit Hilfe der Prädikate klug/unklug
oder wünschenswert/unerwünscht werden die politische und soziale Realität
(Handlungsstrategien, Handlungsinstrumente und Handlungsanweisungen) innerhalb
eines pragmatischen Zieldiskurses, in dem der pragmatischer Ansatz verwendet
wird, bewertet.
c. Politisch-technische Urteile: Mit Hilfe der Prädikate
effizient/uneffizient
werden Handlungsinstrumente innerhalb eines technischen Mitteldiskurses, in dem
der technischer Ansatz verwendet wird, bewertet.
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Kapitel Satzebene (3.5). |