Im Folgenden steht diese tripartite Unterscheidung im Fokus zwischen
„quantitativen“, „positivistisch-qualitativen“ und „traditional qualitativen“
Methoden, wie Yanow und Schartz-Shea diese nennen, oder
„quantitativ-mathematischen“, „qualitativ-mathematischen“ und
qualitativ-interpretativen“ Methoden, wie ich sie nennen werde: „What we are
increasingly looking at these days methodologicaly is, instead, a tripartide
division among quantitative, positivist-qualitative, and traditional qualitative
methods. The later have increasingly been termed ‘interpretative’ methods
because of their intentional, conscious grounding in or their less explicit but
nonetheless recognizable family resemblance to the ontological and
epistemological presuppositions of the Continental interpretive philosophies of
phenomenology and hermeneutics (and some critical theory) and their American
counterparts of symbolic interactionism, ethnomethodology, and pragmatism, among
others“ (Yanow/Schwartz-Shea 2014a [2006]: XX).
A. Quantitativ-mathematische Methoden zur Ermittlung von kausalen
Regularitäten oder probabilistischen Gesetzen
Es gibt keine Verwechslungen, wenn man von quantitativen Methoden spricht. Da
innerhalb der platonisch-galileischen Tradition die Orientierung an der
Exaktheit der Mathematik durch die Verwendung von logisch-mathematischen
Methoden sichtbar wird, verwende ich auch ein weiteres Attribut neben
„quantitativ“ und „qualitativ“, und zwar „mathematisch“. Dieses ist umfassender
als „metrisch“ oder „statistisch“ und dürfte sowohl für die quantitativen als
auch qualitativen Methoden innerhalb der platonisch-galileischen Tradition ein
geeigneter Ausdruck sein. Dies ist notwendig, damit man nicht die qualitativen
Methoden zur Ermittlung von Sinnzusammenhängen mit den qualitativen Methoden zur
Ermittlung von Kausalitäten verwechselt.
Quantitative Methoden werden in erster Linie zur Ermittlung von Kausalitäten
zwischen verschiedenen Ereignissen (events) auf der Makroebene eingesetzt. Ziel
ist es, Erklärungen für kausale Muster, universelle Einflussfaktoren oder
kausale Strukturen auf der Makroebene zu liefern. Konkret geht es darum, mit
Hilfe von Korrelations- oder Regressionsanalysen Regularitäten oder
Regelmäßigkeiten zu ermitteln, der Begriff „Gesetz“ wird kaum mehr verwendet.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge
oft nicht alle Bedingungen, die an kausale Schlussfolgerungen gestellt werden,
erfüllt werden können, so dass man dann auch mittels quantitativer Methoden
höchstens Beschreibungen (descriptions) oder deskriptive Schlussfolgerungen
(descriptive
inferences) erstellen kann: „Researchers now know that most regression equations
simply provide a multivariate summary of the data – at best a descriptive
inference [Hervorhebung nicht im Original] – not a sure-fire causal inference
about them (King, Keohane, and Verba 1994) because the conditions for justifying
a causal interpretation of regression coefficients are not met. Although
establishing the Humean conditions of constant conjunction and temporal
precedence with regression-like methods often takes pride of place when people
use these methods, we know that they seldom deliver a reliable causal inference.
Rather regressions are often more usefully thought of as ways to describe
complex data-sets by estimating parameters that summarize important things about
the data“ (Brady/Collier/Box-Steffensmeier 2011 [2009]: 1022).
Wie oben geschildert (Kapitel 3.1.2, B), ist der Weg von der Korrelation zur
Kausalität noch weit, neben makro-quantitativen Methoden sind Experimente oder
Simulationen (Kapitel 3.9.3) sowie qualitativ-mathematische Methoden notwendig
(Kapitel 3.9.2, C).
B. Qualitativ-interpretative Methoden und Beschreibungen
Missverständnisse treten allerdings auf, wenn man von qualitativen Methoden
spricht. Daher verwende ich zur Vermeidung von Verwechslungen das Adjektiv
„qualitativ“ immer in Verbindung mit einem anderen Adjektiv, entweder „interpretativ“
oder „mathematisch“.
Wenn es sich um Methoden handelt, die innerhalb der Geistes- und
Kulturwissenschaften (Humanities) zur Deutung und zum Verstehen der sozialen
Welt entstanden sind, dann spreche ich von qualitativ-interpretativen oder
qualitativ-klassifikatorischen Methoden.
Qualitative-interpretative Forschung hat das Ziel, Sinnzusammenhänge (z.B.
Lebenswelten) oder Phänomene oder sichtbare Erscheinungen mittels Textanalysen
und sprachlich-interpretativer Werkzeuge (Begriffe, Methoden und methodische
Ansätze) zu beschreiben. Für die Textanalysen werden sprachlich-interpretative
Werkzeuge verwendet, unter anderem folgende qualitativ-interpretativen Methoden
werden in den einschlägigen Methodenbüchern behandelt: qualitative
Inhaltsanalyse, Dokumentenanalyse sowie Diskurs- und Konversationsanalyse
(Flick/von Kardorff/Steinke 2015 [2000],
Schmitz/Schubert 2006,
Denzin/Lincoln
1994, Blatter/Janning/Wagemann 2007,
Creswell 2013 [1998],
Yanow/Schwartz-Shea
2014 [2006], Bevir/Rhodes 2016a).
C. Qualitativ-mathematische Methoden zur Lösung des Paarungsproblems und
zur Ermittlung von kausalen Ursache-Wirkungs-Mechanismen
Im Folgenden werden zuerst die qualitativ-mathematischen Methoden
vorgestellt, dabei werden insbesondere die unterschiedlichen Ziele dieser
Methoden im Vergleich zu den quantitativen Methoden herausgearbeitet (a). Danach
werden die wichtigsten Ziele dieser Methoden, erstens die Lösung des
Paarungsproblems und die Klärung von konkreten Kausalitäten (b) sowie zweitens
die Ermittlung von kausalen Ursache-Wirkungs-Mechanismen, erläutert (c).
a. Qualitativ-mathematische Methoden
Die im angelsächsischen Raum seit den 70er Jahren entstandenen „qualitativen“
Methoden werden zur Identifizierung von Kausalitäten und zwar konkret zur
Ermittlung von Ursache-Wirkungs-Mechanismen, kausalen Mechanismen oder kausalen
Prozessen innerhalb von Fallstudien (case studies), Small-N-Studien oder
Medium-N-Studien (20-50 Fälle) auf der Mikroebene verwendet. In Ihrem Überblick
„A Tale of Two Cultures. Qualitative and Quantitative Research in the Social
Sciences” (Goertz/Mahoney 2012) verwenden Gary Goertz und James Mahoney den
Begriff
„qualitativ“ auch im oben erwähnten Sinn. Sie weisen immerhin in einer Fußnote
darauf hin, dass es auch eine andere Verwendungsweise gibt. Sie behandeln aber
in ihrer Arbeit ausschließlich qualitativ-mathematische Methoden, sprechen aber
von qualitativen Methoden: „Thus, while interpretative analysts will not find
their tradition of research represented in the qualitative culture that we
describe, they nonetheless will find many of the tolls of their tradition put
to use in our analysis” (Goertz/Mahoney 2012: 5, Fussnote 2). Diese
Feststellung, obwohl ich sie expressis
verbis nicht gefunden habe, gilt auch für den oben genannten Band „Political
Methodology“ (Box-Steffensmeier/Brady/Collier 2010a [2008]).
Der Begriff der „zwei Kulturen“ wurde von Charles Percy
Snow (1965 [1959])
eingeführt, dabei hatte der Begriff „qualitativ“ noch eine
qualitativ-interpretative Bedeutung. So wollte Snow auf den Unterschied zwischen
einer literarischen und einer naturwissenschaftlichen Intelligenz (Snow 1987
[1965]) hinweisen. Damit wurde die vor allem im deutschsprachigen Raum
entwickelte Unterteilung in Natur- und Geistes- oder Kulturwissenschaften als
kulturelle Grenze vorgestellt. Goertz und Mahoney sehen nun eine kulturelle
Grenze zwischen quantitativen Methoden zur Ermittlung von kausalen Regularitäten
und qualitativen Methoden zur Ermittlung von kausalen Prozessen. Diese
kulturelle Grenze würde zwei Sektionen innerhalb der APSA trennen: „In political
science, there are two methodology sections, the Section on Political
Methodology, which represents quantitative methodology, and the newer Section on
Qualitative and Multi-Method Research. In sociology, the Section on Methodology
stands for mainly quantitative methods, whereas the kinds of qualitative methods
that we discuss are associated with the Section on Comparative and Historical
Sociology“ (Goertz/Mahoney 2012: 5).
Insbesondere die deutschen Politikwissenschaftler (Wolf 2015,
Héritier 2016),
die in der platonisch-galileischen Tradition stehen, denken in erster Linie an
Qualitative Comparative Analysis (Wagemann 2015) oder Prozessanalyse (Starke
2015,), wenn sie von qualitativen Methoden sprechen, und nicht an qualitative
Inhaltsanalyse oder Dokumentenanalyse.
Qualitativ-interpretative Argumentationsweisen, z.B. Interpretation,
Hermeneutik und Dialektik, spielen dabei keine Rolle. Auch dass ein Verstehen
einer Erklärung vorausgeht (von Wright 1974 [1971]), wird überhaupt nicht
problematisiert. Zuerst muss man sich auf eine Beschreibung der Ereignisse
einigen, zwischen denen kausale Regularitäten auf der Makroebene nachgewiesen
werden sollen. Auch auf der Mikroebene muss ein Phänomen zuerst beschrieben
werden, danach kann ein unsichtbarer kausaler Prozess, der das Phänomen
hervorbringt, erklärt werden.
Die quantitativen Methoden sollen mittels Large-N-Studien kausale Regularitäten
auf der Makroebene nachweisen (Kapitel 3.1.2, B). Die qualitativ-mathematischen Methoden werden auf der Mikroebene erstens zur
Lösung des Paarungsproblems benötigt (Bennett 2010 [2004],
Brady 2010 [2004]) –
im Zentrum steht dabei die QCA – und zweitens werden qualitativ-mathematische
Methoden zur Ermittlung von kausalen Ursache-Wirkungs-Mechanismen oder kausalen
Prozessen eingesetzt (Fearon/Laitin 2011 [2009], siehe auch „Mechanism and
Mechanism-based explanations“,
Hedström 2010 [2008]: 321): „Despite some claims
to the contrary in the qualitative methods literature, case studies are not
designed to discover or confirm empirical regularities. However they can be
quite useful – indeed, essential – for ascertaining and assessing the causal
mechanisms that give rise to empirical regularities in politics. We have argued
that random selection of cases for narrative development is a principle and
productive criterion in studies that mix statistical and case-study methods,
using the former for identifying regularities, and the latter to assess (or to
develop new) explanations of these“ (Fearon/Laitin 2011 [2009]: 773).
Während man also mit Large-N-Studien auf der Makroebene kausale Regularitäten
mit Hilfe von quantitativen Methoden ermittelt, d.h., damit wird die Warum-Frage
geklärt, geht es nun komplementär dazu auf der Mikroebene darum den kausalen
Ursache-Wirkungs-Mechanismus zu ermitteln, d.h. die Wie-Frage zu klären.
Insbesondere in den USA entstanden neue Methoden, die das Attribut
„qualitativ“ erhielten, obwohl sie sich von den oben skizzierten
qualitativ-interpretativen Methoden zur Erfassung von Bedeutung und
Sinnzusammenhängen, also zur Textanalyse, deutlich unterscheiden.
b. Qualitativ-mathematische Methoden zur Lösung des Paarungsproblems
Diese von mir so genannten „qualitativ-mathematischen“ Methoden haben Eingang
in die platonisch-galileische Tradition gefunden, weil sie auch zur Aufdeckung
von konkreten Kausalitäten und von kausalen Mechanismen oder Prozessen
beitragen: „Da QCA [Qualitative Comparative Analysis] im amerikanischen Kontext
entstanden ist, ist es nicht verwunderlich, dass das hier zugrunde liegende
Verständnis qualitativer Methoden der kausal-inferenzorientierten Richtung (so
die Formulierung bei Goertz und Mahoney 2012, S. 9) zuzuordnen ist“ (Wagemann 2015: 430).
Es geht dabei sowohl um kausale Inferenzen oder Folgerungen als auch um eine
Erklärung (nicht um eine Beschreibung, wie dies die englische Begrifflichkeit
nahelegt) des kausalen Mechanismus, obwohl die englische Begrifflichkeit „descriptive
and causal inference“ lautet. Diese vier Wörter findet man in der Regel
gemeinsam und zwar nicht selten an prominenter Stelle, als Kapitel- oder
Teilüberschrift in verschiedenen Methodologiebüchern (King/Keohane/Verba 1994,
Brady/Collier 2010 [2004] und
Box-Steffensmeier/Brady/Collier 2010a [2008]).
Wichtig für die Entstehung dieses Verständnisses von qualitativen Methoden
waren die amerikanische Fallstudientradition sowie die quantitative
Herangehensweise: „Dazu gehören die Verwendung von Formeln, Graphen, Algorithmen
und auch einer speziellen Mathematik (Schneider und Grofman 2006), weswegen es
dann auch rezeptartige Anleitungen zur Durchführung einer QCA gibt“ (Wagemann 2015: 436). So wurde die „Qualitative Comparative Analysis“ (QCA) als „dritter
Weg“ „und damit als Alternative zu vorherrschenden qualitativen und
quantitativen Ansätzen propagiert“ (Wagemann 2015: 429). Hier dürfte Wagemann
das Wort „qualitativ“ noch im Sinne von „qualitativ-interpretatorisch“
verwenden.
Aufgrund der großen Bedeutung von mathematischen Verfahren ist auch das
Attribut „qualitativ-mathematisch“ für diese Methoden gerechtfertigt. Als
Alternative, die aber wesentlich umständlicher wäre, kommt etwa noch
„qualitative Methoden der kausal-inferenzorientierten Richtung“ (Wagemann 2015:
430) in Frage. Weiterhin könnte man, um auf diese doch bedeutenden Unterschiede
zu den anderen qualitativ-interpretativen Methoden hinzuweisen, den Begriff
„quasi-qualitativ“ verwenden, zumal in Frankreich auch ein zweites Q benutzt
wird, es steht für „Analyse Quali-Quantitative Comparée“ (Wagemann 2015: 429).
Dies dürfte aber noch zu weiterer Verwirrung beitragen.
c. Qualitativ-mathematische Methoden zur Ermittlung von kausalen
Ursache-Wirkungs-Mechanismen
Die Prozessanalyse ist neben der QCA eine andere qualitativ-mathematische
Methode: „Prozessanalyse (engl. process tracing) ist eine Untersuchungsmethode
zur kausalen Erklärung, bei der vielfältige empirische Beobachtungen innerhalb
eines oder mehrerer Fälle als potentielle Implikationen theoretischer
Kausalmechanismen verstanden werden. Die möglichst vollständige empirische
Rekonstruktion kausaler Prozesse durch Fallstudien erlaubt Schlussfolgerungen
über (alternative) theoretische Erklärungen“ (Starke 2015: 454). Nicht
Korrelationen, sondern kausale Prozesse stehen im Vordergrund: „Im Unterschied
zu vielen in erster Linie fallvergleichenden und/oder quantitativen Methoden der
Erklärung stehen bei der Prozessanalyse jedoch nicht die Korrelationen zwischen
unabhängigen Variablen und abhängiger Variable, sondern die Kausalmechanismen im
Zentrum, die unabhängige und abhängige Variable verbinden und die sich innerhalb
eines oder mehrerer Fälle nachweisen lassen“ (Starke 2015: 453).
Auch Andrew Bennett stellt die Prozessanalyse als ein leistungsfähiges
Instrument hin, mit dessen Hilfe zwischen richtigen und falschen
Kausalerklärungen unterschieden werden kann. Da diese wie alle anderen
qualitativ-mathematischen Methoden vor allem in Einzelfallstudien (case
studies) sowie in Studien mit einer kleinen Fallzahl (small-N-studies),
also auf der Mikroebene, eingesetzt werden, ist es erstmals das große Ziel, das
Paarungsproblem zu lösen. Genau diese Leistung wird von Bennett in seinem Fazit
hervorgehoben, obwohl er den Begriff „Paarungsproblem“ nicht verwendet: „Yet
with appropiate evidence, process tracing is a powerfull means of discriminating
among rival explanations of historical cases even when these explanations
involve numerous variables“ (Bennett 2010 [2004]: 219).
Brady führt die Leistungsfähigkeit der causal-process observations (CPOs)
gegenüber den data-set observations (DSOs) an einem Fall vor. Auch in diesem
Beitrag wird eine Erklärung, die mittels data-set observations gemacht wurde,
widerlegt (Brady 2010 [2004]).
Es ist also evident, dass sich die Forscher, die die
qualitativ-mathematischen Methoden entworfen haben, an der (alethischen) Logik
sowie an der Mathematik, speziell an der Mengenlehre (set theory) und an der
Methodologie der existierenden quantitativen Methoden und deren
wissenschaftstheoretischen Annahmen orientiert haben (King/Keohane/Verba 1994,
Brady/Collier 2010 [2004] und
Box-Steffensmeier/Brady/Collier 2010a [2008]).
Daher denke ich, dass die Bezeichnung „logisch-mathematische
Forschungsmethodologie“ sowohl für quantitative als auch für
qualitativ-mathematische Methoden ihre Berechtigung hat.
D. Data-Set Observations (DSOs) versus Causal-Process Observations (CPOs)
Es gibt aber auch Differenzen zwischen quantitativen und
qualitativ-mathematischen Methoden. Gary Goertz und James Mahoney haben 25
Unterschiede herausgearbeitet (Goertz/Mahoney 2012).
Der Unterschied zwischen den quantitativen und den qualitativ-mathematischen
Methoden wird unter anderem auch mit der Unterscheidung von verschiedenen
Beobachtungsformen begründet, den CPOs (causal-process observations) und den
DSOs (data-set observations): „We define causal-process observation as an
insight or piece of data that provides information about context, process, or
mechanism, and that contributes distinctly to causal inference. A data-set
observation (DSO), by contrast, is the standard quantitative data found in a
rectangular data set“ (Brady/Collier/Seawright 2010 [2004]: 2).
Data-set
observations werden weiterhin detaillierter so definiert: „All the scores in a
given row, in the framework of a rectangular data set. It is thus the collection
of scores for a given case on the dependent variable and all the independent
variables. This includes intervening and antecedent variables“ (Hervorhebungen
im Original, Brady/Collier 2010 [2004]: 324).
Die DSOs bilden die Grundlage für quantitative Korrelations- und
Regressions-analysen, während CPOs die Grundlage von qualitativ-mathematischen
Analysen mittels z.B. Qualitative Comparative Analysis oder Prozessanalyse (process
tracing) ergeben: „DSOs are the basis for the standard rectangular data set of
the quantitative researcher, with rows corresponding to cases and columns
corresponding to variables. This data set is the foundation for correlation and
regression analysis. In relation to this rectangular data set, the term
‘observation’ has a very specific meaning. It is not the ordinary language
meaning, in the sense that one ‘observes’ phenomena in the real world. Rather,
an observation is specifically an entire row in the rectangular data set. It is
all the score for a given case. A CPO, by contrast, is an insight or piece of
data that provide information about context, process, or mechanism and that
contributes distinctive leverage to causal inference. It is not part of a
rectangular data set; it provides a separate type of inferential leverage. Our
goal in selecting this label is to incorporate the term ‘observation’, which as
just noted has a special status in relation to causal inference in quantitative
research, and to juxtapose it with the idea of causal process“ (Brady/Collier/Seawright
2006: 355).
Es gibt weiterhin einen prinzipiellen Unterschied zwischen statistischen und
kausalen Schlussfolgerungen, die daher auch unterschiedliche Vorgehensweisen
sowie verschiedene Beobachtungsformen erfordern: „[I]n statistical inference,
one typically uses information obtained from a limited number of observations –
usually based on a random sample – to draw conclusion about the likely value of
some parameter in the population at large such as regression coefficient or a
standard deviation. In causal inference, as the term is used here, the
information being used is not necessarily confined to a specific sample, but a
range of different sources of information provide various pieces of the causal
puzzle (see Brady and Collier 2004 and their notion of ‘causal process
observation’). Furthermore, the entity one seeks to generalize about is not the
parameter of a statistical model but the process by which something has been
brought about and the mechanism governing this process. […] The type of
‘mechanism approach’ discussed in this chapter also differs in another important
respect from more traditional quantitative approaches. The focus is not on
relationships between variables, but on actors, their relationships, and the
intended and unintended outcomes of their actions. Properties of actors and/or
their social environments often influence the outcomes of individuals’ actions.
These properties as well as the action outcomes can be measured and represented
in the form of variables, but the causality does not operate at the variable
level“ (Hedström 2010 [2008]: 320).
Large-N-Studien, die mit Hilfe von quantitativ-mathematischen Werkzeugen
erstellt werden, generieren in erster Linie kausale, nomothetische, probabilistische
Regularitäten. Generalisierungen sind auch hier notwendig, weil in der Regel
nicht einmal alle vergangenen Fälle erfasst werden können, geschweige denn die
zukünftigen. Fallstudien und Small-N-Studien ergründen mit Hilfe von
qualitativ-mathematischen Methoden konkrete, kausale
Ursache-Wirkungs-Mechanismen. Wenn beide Vorgehensweisen kombiniert werden,
spricht man von „multi-method research“ oder „mixed-methods research“ (Wolf
2015: 491): „In general, in recent years a mixed method approach has been more
and more frequently used in order to benefit both from the advantages of
quantitative and qualitative approaches [gemeint sind auch hier
qualitativ-mathematische und nicht qualitativ-interpretative Ansätze], i.e. an
overall view of the phenomena on the one side and in-depth insights on the other
(Biesenbender and Héretier 2014; Caporaso 2009). Quantitative analysis is apt to
ensure the generability of the results, qualitative case studies of the
processes might help to identify the causal mechanism at work for a subset of
the units of analysis (Biesenbender and Héretier 2014; Caporaso 2009)“ (Héretier
2016: 24).
Die Vorliebe für Gesetze oder Regularitäten und angebliche kontextfreie
Erkenntnisse steht im Zentrum der Kritik, die, wie oben erläutert, die
Perestroikans üben. Hier ein weiteres Zitat, das diese Kritik auf den Punkt
bringt: „They [gemeint sind area scholars, die area studies betreiben] resisted
the practice of subsuming the particular sub specie aeternitatis, or treating
local thought and practice as instances of some abstract universal“ (Rudolph
2005a: 11).
Die Einführung der qualitativ-mathematischen Forschungsmethodologie
innerhalb der Politikwissenschaft hat bewirkt, dass man auch den Forschern der
platonisch-galileischen Tradition diesen Vorwurf nicht mehr machen kann. Dass
man das Paarungsproblem innerhalb des regulativen Ansatzes, wie oben
geschildert, nicht lösen konnte, ebenso die Antwort auf die Frage, wie
funktioniert der kausale Ursache-Wirkungs-Mechanismus genau, nicht finden
konnte, hat dazu geführt, dass man qualitativ-mathematische Methoden
entwickelte, bei denen anhand von Fallbeispielen der genaue Kontext analysiert
wird. Kurz, exakt die Vorgehensweise und Zielsetzung, die die Perestroikans
(Flyvbjerg/Landman/Schram 2012a) eigentlich so sehr im szientistischen
„Mainstream“ vermissen.
E. Komplementarität und Triangulation zwischen quantitativen,
qualitativ-mathematischen sowie qualitativ-interpretativen Methoden
Auf die Bedeutung der Ergänzung der kausalen Forschungsperspektive verweist
auch Mark Bevir kritisch in seinem Beitrag „Meta-methodology: Clearing the
Underbrush“ innerhalb der Oxford-Reihe: „Why should political scientists worry
about the shift toward contextual and historical forms of explanation? In stark
terms, the answer is that it implies that their correlations, classifications,
and models are not properly speaking explanations at all. They are, rather, a
type of data that we then might go on to explain using contextualizing
historical narratives. Correlations and classifications become explanations only
if we unpack them as shorthands for narratives about how certain beliefs fit
with other beliefs in a way that makes possible particular actions and practices.
Similarly, although models appeal to beliefs and desires, they are mere fables
that become explanations only when we treat them as accurate depictions of the
beliefs and desires that people really held in a particular case (cf. Rubinstein
2006; 1995)“ (Bevir 2010 [2008]: 67).
So wie Erklärungen und Beschreibungen sich gegenseitig ergänzen können, so
können auch unterschiedliche Methoden komplementär verwendet werden. Das
Zauberwort lautet hier Triangulation oder „methodenverbindende Forschung“ (Wolf
2015). Bei der Triangulation geht es um eine Vorgehensweise, die vor allem auf
der Methodenebene im engeren Sinne stattfindet. Sie zeigt, wie wünschenswerte
Ergänzungen der erkenntnistheoretischen, methodologischen und ontologischen
Perspektiven konkret umgesetzt werden können.
Die Triangulation wird sowohl für die kumulative Validierung von Ergebnissen
als auch zur Ergänzung von Perspektiven eingesetzt: „Triangulation als
kumulative Validierung von Forschungsergebnissen und Triangulation als Ergänzung
von Perspektiven, die eine umfassendere Erfassung, Beschreibung und Erklärung
eines Gegenstandsbereichs ermöglichen, wobei in der neueren Literatur der Aspekt
der Komplementarität, das heißt der Ergänzung von Perspektiven gegenüber dem
Aspekt der Validierung hervorgehoben wird“ (Kelle/Erzberger 2015 [2000]:
303-304). Wichtig ist, dass Kelle und Erzberger hier vor allem qualitative
Forschung im Sinne haben, wie sie im Besonderen von qualitativ-interpretativen
Forschern gemacht wird.
Nur die Methoden sind komplementär zueinander, weil sie sich ergänzen. Dies
gilt aber nicht für die Ergebnisse, die man mit diesen Methoden generiert, da
Ergebnisse konvergieren können, komplementär sein oder sich gegenseitig
widersprechen können: „Ein einheitliches Konzept der Methodenintegration, das
qualitativen und quantitativen Forschungsergebnissen einen bestimmten
forschungslogischen oder theoretischen Status a priori zuweist – etwa in dem
Sinn, dass sich qualitative und quantitative Ergebnisse grundsätzlich ergänzen
müssten – lässt sich aus diesen verschiedenen Funktionen und Verwendungsweisen
von Methodenintegration also nicht ableiten. Ergebnisse von qualitativen und
quantitativen Studien können konvergieren, komplementär sein oder sich
gegenseitig widersprechen, wobei jede dieser Möglichkeiten für den
Forschungsprozess fruchtbar sein kann […] Der richtige ‚Methodenmix‘ ist aber
stets abhängig von der Art des untersuchten Gegenstandsbereichs und den
verwendeten theoretischen Konzepten“ (Kelle/Erzberger 2015 [2000]: 308).
Wie sieht die Situation in der platonisch-galileischen Tradition aus? Wenn
innerhalb dieser Tradition eine pluralistische Methodologie anvisiert wird
(siehe „Toward a Pluralistic Vision of Methodology“,
Brady/Collier/Seawright
2006 und „Rethinking Social Inquiry. Diverse Tools, Shared Standards“,
Brady/Collier 2010 [2004]), ist dies ein Plädoyer für eine
Methodenvielfalt zur
Ermittlung von Kausalitäten, speziell für die Ergänzung der quantitativen durch
qualitativ-mathematische Methoden, und keineswegs ein Plädoyer für eine
umfassende, pluralistische Methodologie, da etwa der kausale Reduktionismus
nicht in Frage gestellt wird, gemeint ist damit keine andere
Forschungsperspektive, z.B. neben kausalen Relationen Sinnzusammenhänge zu
ermitteln, sondern eine andere, eine qualitativ-mathematische, neben der
quantitativen Vorgehensweise zuzulassen: Es geht um eine Triangulation zwischen
quantitativen Methoden zur Ermittlung von Korrelationen auf der Makroebene und
qualitativ-mathematischen Methoden zur Ermittlung von
Ursache-Wirkungs-Mechanismen auf der Mikroebene anhand von Fallbeispielen.
Neben dem Begriff „Triangulation“ werden insbesondere in englischsprachen
Beiträgen die Begriffe „mixed-method“ und „multimethod“ verwendet.
Dabei ist es noch wichtig festzuhalten, dass es aufgrund von verschiedenen
Forschungstraditionen zu Verwirrungen kommen kann. Triangulation kann auf vier
unterschiedliche Kombinationen hindeuten:
- a. Triangulation von verschiedenen qualitativ-interpretativen Methoden
oder „Triangulation in der qualitativen Forschung“ (Flick 2015 [2000]),
Kelle/Erzberger 2015 [2000])
- b. Triangulation von quantitativen und qualitativ-interpretativen Methoden
(Schubert/Bandelow 2009,
Monroe 2015)
- c. Triangulation von quantitativen und qualitativ-mathematischen Methoden
oder „Integrating Qualitative and Quantitative Methods“ (Fearon/Laitin 2011
[2009], in diesem Sinne argumentieren auch
Wolf 2015 und
Hérretier 2016)
- d. Triangulation von verschiedenen Datenquellen (data sources) (King/Keohane/Verba 1995), Triangulation von DSOs und CPOs (Brady/Collier 2010
[2004])
a. Triangulation von verschiedenen qualitativ-interpretativen Methoden
Innerhalb der qualitativen Forschung meint Triangulation die Verwendung von
verschiedenen qualitativ-interpretativen Methoden; sie wird z.B. als
Validierungsstrategie empfohlen (Flick 2015 [2000]).
b. Triangulation von quantitativen und qualitativ-interpretativen Methoden
In vielen deutschen Methodologiebüchern werden quantitative und qualitative
Methoden, wobei hier immer qualitativ-interpretative Methoden gemeint sind, in
unterschiedlichen Kapiteln gleichberechtigt und komplementär vorgestellt und
werden dem Nachwuchs je nach Problemstellung alle Methoden empfohlen (Schubert/
Bandelow 2009). Triangulation wird hier zwischen quantitativen und
qualitativ-interpretativen Methoden gesehen.
Kristen Renwick Monroe lobt die Perestroikans dafür, dass sie in den USA zu
einer ähnlichen methodologischen Öffnung wie in Europa beigetragen haben, so
würden junge Wissenschaftler vermehrt quantitative und qualitative (gemeint
qualitativ-interpretative) Methoden anwenden: „Portman’s thesis utilized
multiple methodolo-gies – interviews, surveys, content analysis of speeches and
public documents – to reveal the psychology of activists involved in politics in
the United States, including their belief systems, personality traits and senses
of individual and collective identity“ (Monroe 2015: 423).
c. Triangulation von quantitativen und qualitativ-mathematischen Methoden
In dem Band „Political Methodology“ (Box-Steffensmeier/Brady/Collier 2010a
[2008]) findet man zwar das Wort „Triangulation“ nicht, das Thema einer
methoden-verbindenden Forschung wird in dem Beitrag „Integrating Qualitative and
Quantitative Methods“ von James D. Fearon und David D. Laitin (2011 [2009]) aber
bearbeitet. Auch sie sind der Meinung, „that qualitative work might be
integrated into a research programm as a complement to rather as a rival or
substitute for quantitative analysis“ (Fearon/Laitin 2011 [2009]: 775). Wichtig
aber ist, dass Fearon und Laitin unter „qualitativ“ nicht die
qualitativ-interpretativen, sondern die qualitativ-mathematischen Methoden
meinen.
d. Triangulation von verschiedenen Datenquellen (data sources)
King, Keohane und Verba verstehen unter Triangulation nicht die Kombination
von verschiedenen Logiken oder Methoden, sondern von verschiedenen Daten oder
Datenquellen mit dem Ziel, möglichst viele Daten über kausale Theorien oder
Hypothesen zu generieren: „Triangulation involves data collected at different
places, sources, times, levels of analysis, or perspectives, data that might be
quantitative, or might involve intensive interviews ort thick historical
description“ (King/Keohane/Verba 1995: 479). An anderer Stelle heißt es: „Triangulation, then, is
another word for referring to the practice of increasing the amount of
information to bear on a theory or hypothesis, and that is what our books is
about” (King/Keohane/Verba 1995: 480).
Ebenfalls zur Verbesserung von Kausalanalysen sprechen sich vor allem Brady
und Collier für die Ergänzung von data-set observations (DSOs) durch
causal-process observations (CPOs) aus (Brady/Collier 2010 [2004]).
F. Schisma zwischen quantitativen und qualitativ-interpretativen Methoden
und damit verbundenen Missverständnissen
Das Schisma zwischen quantitativen und qualitativen Methoden wird von beiden
Seiten als überwunden angesehen (für das Establishment
Goodin 2011b [2009]), für
die Perestroikans Monroe 2015): „In short, the quantitative/qualitative
distinction is at best unhelpful and at worst meaningless“ (Bevir/Rhodes 2016b:
19, siehe auch Moses/Knutsen 2012 [2007]). Dabei bleibt es, wie oben gezeigt,
nach wie vor bestehen. Allein die verwirrende Begrifflichkeit täuscht einen
Fortschritt vor.
Kristen Renwick Monroe meint, dass die Perestroikans zur Überwindung des
Schismas beigetragen haben und dass zumindest junge Forscher beide
vorurteilsfrei anwenden: Sie behauptet in ihrem Rückblick „What did Perestroika
Accomplish?“ (Monroe 2015), dass die Perestroika-Bewegung sehr viel erreicht
hat, vor allem die Kluft zwischen Politikwissenschaftlern (disciplined political
scientists) und politischen Theoretikern (undisciplined political theorists) sei
überwunden, nicht zuletzt dank der Überwindung des Schismas zwischen
quantitativen und qualitativ-interpretativen Forschern: „Its most critical
triumphs were its successful challenge to the view that there was only one way
to do political science and its legitimation of the view that political science
was a humanistic as well as a scientific discipline“ (Monroe 2015: 423). Dies
macht sich auf der methodologischen Ebene durch die Überwindung des Schismas
zwischen quantitativen und qualitativ-interpretativen Methoden bemerkbar und
zwar durch einen „shift in the discipline’s attitude toward methodological
pluralism“ (Monroe 2015: 423).
Wie begründet Monroe dies? Sie verweist erstens auf eine ihrer
Doktorandinnen, Bridgette Portman, die in ihrer Arbeit auf alle für die Lösung
ihres Problems vorhandenen Methodologien zurückgegriffen hat, die es im
Methodologiekasten (methodological [tool]-kit) gab: „But perestroika shifted the
battle, with more scholars, especially younger ones, now realizing there are
many ways to examine a political issue and that good work will address a
political problem using all the appropriate instruments available in the
methodological-kit“ (Monroe 2015: 423).
Auch die Wissenschaftler, die der platonisch-galileischen Tradition
angehören, meinen, dass sie dieses Schisma überwunden haben, und halten diese
Kritik für unangebracht (Goodin 2011a [2009]), vor allem, weil sie einmal einen
pluralistischen Habitus pflegen, und andererseits mit Verweis auf die seit den
70er Jahren etablierten „qualitativ-mathematischen“ Methoden. Dies trifft nicht
zu, denn in dem Band „Political Methodology“ (Box-Steffensmeier/Brady/Collier
2010a [2008]) werden genauso wie etwa im „Handbuch Policy-Forschung“ (Wenzelburger/Zohlnhöfer
2015) keine qualitativ-interpretativen Methoden (z.B. qualitative
Inhaltsanalyse) erörtert, sondern nur qualitativ-mathematische Methoden wie die
Qualitative Comparative Analysis (Wagemann 2015) und die Prozessanalyse (Starke
2015) behandelt. Im Zentrum stehen bei der Prozessanalyse kausale Prozesse (Hedström
2010 [2008]), bei der QCA ist es die Lösung des Paarungsproblems auf der
Mikroebene.
Die szientistischen Wissenschaftler haben zu einer enormen Begriffsverwirrung
beigetragen, weil sie fest etablierten Begrifflichkeiten wie „qualitativ“,
„deskriptiv“ neue Bedeutungen gegeben haben. Kritikwürdig ist aber nur die
Begrifflichkeit, nicht die damit erzielten methodischen Innovationen. Die seit
den 70er Jahren entwickelte qualitativ-mathematische Forschungsmethodologie ist
ein notwendiges Komplement zu quantitativen und experimentellen Methoden, weil
die qualitativ-mathematische Forschungsmethodologie es ermöglicht, die ontische
Eigenschaft von Kausalität zu
ermitteln sowie das Paarungsproblem zu lösen.
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