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Tradition und Fortschritt verbinden

„Methodenstreit“ und Politikwissenschaft

Der methodologische Glaubenskrieg
am Beginn des 21. Jahrhunderts zwischen
szientistischem Establishment und phronetischen Perestroikans


 


3.7 Logikebene

Auf der Logikebene werden die formalen Schlüsse und Schlussregeln bezogen auf wissenschaftliche Begriffe und wissenschaftliche Sätze, in diesem Fall auf Prädikate und Aussagen, Normen und Regeln erörtert. Eine systematische Auseinandersetzung mit dieser Ebene findet man in keinen methodischen Büchern innerhalb der Politik­wissenschaft, auch wenn ab und zu in Aphorismen auf Logik verwiesen wird, wie dies auch Bent Flyvbjerg, Bent"  tut, der Pierre Bourdieu zitiert: „[P]ractice has a logic which is not that of logic“ (Flyvbjerg 2001: 38). Eine Auseinandersetzung mit der deontischen Logik oder der Normenlogik findet nicht statt. Im Folgenden werden die prinzipiellen Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Logiktypen aufgeführt, wie sie insbesondere von Georg Henry von Wright (1977a) herausgearbeitet wurden.

   

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Inhalte

Einleitung
2. Kapitel
3. Kapitel

Zusammenfassung
Ausblick

 

 

Dieser kurze Überblick soll dazu dienen, zu zeigen, dass allein aus logischen Gründen eine prinzipielle Unterscheidung zwischen empirischen (deskriptiven, explanativen und prognostischen) Aussagen und Aussagensystem auf der einen sowie von praktischen (normativen, pragmatischen und technischen) Normen und Regeln auf der anderen Seite zwingend notwendig ist.

Weder Szientisten noch Perestroikans innerhalb der Politikwissenschaft beherzigen diese grundlegenden logischen Unterscheidungen. Die Perestroikans halten generell eine Trennung zwischen Sein und Sollen für unmöglich. Die Szientisten unterscheiden zwar zwischen Sein und Sollen, sie meinen aber, dass man kausale Aussagen einfach umkehren und dann in „normative Aussagen“ umwandeln kann. Ich habe schon an anderen Stellen der Arbeit darauf hingewiesen, dass man nicht von „normativen Aussagen“, sondern von technischen Regeln sprechen muss (Kapitel 3.1.2, D, Kapitel 3.4). Hier wird nun auf der Logikebene aufgeführt, dass im Bereich des Seins und des Sollens unterschiedliche Logiken gelten und warum man aus rein logischen Gründen zwischen Aussagen, Normen und Regeln unterscheiden muss.


3.7.1 Logikebene empirischer (Politik)Wissenschaften Seitenanfang

Logik hat einen analytischen und einen präskriptiven Charakter, daher werden mit Hilfe der Aussagen- und Prädikatenlogik sowie verschiedener Modallogiken wahrheitsdefinite, empirische Aussagensysteme analysiert oder, präskriptiv ausgedrückt, folgende Logiken müssen von empirischen Aussagensystemen beachtet werden:

  • A. Aussagen- und Prädikatenlogik: Es ist wahr/falsch, dass […] (Quine 1981 [1964], von Kutschera/Breitkopf 2007, Stuhlmann-Laeisz 2002), Detel 2007, Stegmüller/von Kibed 1984).
  • B. Alethische Modallogik: Es ist notwendig/unmöglich/möglich/kontingent, dass […] (Hughes/Cresswell 1978 [1968], Hintikka 1969a).
  • C. Zeitlogik: Es wird immer / war immer / wird einmal / war einmal der Fall (sein), dass […] (Prior 1961, 1968).
  • D. Epistemische (doxastische) Logik: Es wird geglaubt / unmöglich gehalten / ist denkbar, dass […] (Hintikka 1969b [1962], Lenzen 1980).
  • E. Deontische Logik (Sein-Sollen): Es ist geboten/verboten/erlaubt/indifferent, dass […] (von Wright 1977a [1951]).

Nur bei der deontischen Logik wird eine Aussage, im ersten Satz (Existenzaussage), über einen Forderungssatz (Norm oder Regel) getroffen. Bei allen anderen Modallogiken wird eine Aussage über eine andere Aussage gemacht.

Mit Hilfe der deontischen Logik kann man die formalen Beziehungen eines empirischen Diskurses untersuchen, d.h., man kann Aussagen über Normen und Regeln und damit über Normierungen und Regulierungen treffen. Mit der Normenlogik kann man hingegen einen praktisch-normativen Diskurs analysieren. Innerhalb der praktischen Politikwissenschaft braucht man beides, weil pragmatische und technische Theorien sowohl Aussagen über die politische Realität enthalten als auch praktische und technische Regulierungen, wie die Realität verändert oder gestaltet werden sollte.

Die Unterscheidung zwischen Normen auf der einen und Aussagen über Normen auf der anderen Seite geht nach Georg Henrik von Wright (1963: 105) auf Ingemar Hedenius zurück. Von Wright hat in mehreren Artikeln dargelegt (die wichtigsten wurden von Hans Poser herausgegeben, vgl. von Wright 1977a), dass es z.B. zwischen der Aussage oder dem empirisch-deskriptiven Satz „es ist verboten, zu töten“ und der Norm oder dem normativen Satz „du sollst nicht töten“ prinzipielle Unterschiede gibt. Ihm zufolge muss man zwischen einem „Sein-Sollen“ oder einer wahrheitsdefiniten deontischen Modallogik auf der einen Seite und einem „Tun-Sollen“ oder einer nicht wahrheitsdefiniten Normenlogik auf der anderen Seite unterscheiden. Ein „Sein-Sollen“ bezieht die deontischen Operatoren auf „Handlungssätze“ (genauer Handlungsaussagen), auf Sachverhalte oder Zustände, ein „Tun-Sollen“ auf „Handlungsverben“, auf Handlungen (von Wright 1977g [1974]: 120, siehe oben Kapitel 3.5 Jørgensen-Dilemma. Zur Logik der Normen vgl. Kalinowski 1973, von Kutschera 1973, von Wright 1977f [1974], von Wright 1977g [1974]).

Ähnlich sieht es Weber: „Wenn das normativ Gültige Objekt empirischer Untersuchung wird, so verliert es, als Objekt, den Norm-Charakter: es wird als ‚seiend‘, nicht als ‚gültig‘ behandelt“ (Weber 1973d [1917]: 531 [493]). Genau dies geschieht, wenn man empirische Aussagen über z.B. politische Normen und Regeln trifft: Es wird dann empirisch festgehalten, welche Normierungen und Regulierungen innerhalb eines Staates zu einem historischen Zeitpunkt als gültig erachtet werden. Damit werden auf keinen Fall normative, pragmatische oder technische Forderungen oder Präskriptionen formuliert. Diese meiner Meinung nach logisch korrekten Schlussfolgerungen und Unterscheidungen, die sehr prägnant durch von Wright herausgearbeitet und bis zu Weber zurückverfolgt werden können, werden leider auch von den Szientisten nicht getroffen. Im Gegenteil wird mit dem Begriff „normative Aussage“ nur Konfusion gestiftet.

Die Perestroikans genauso wie die Interpretivisten leugnen überhaupt die Trennung zwischen Sein und Sollen, eine tragfähige logische Begründung ist nirgends in Sicht, das Mantra, diese Unterscheidung sei nicht möglich, ist alles andere als überzeugend, zumal es tragfähige Alternativen gibt. Diese müssten erst widerlegt werden.


3.7.2 Logikebene praktischer (Politik)Wissenschaften Seitenanfang

Bei der Logikebene praktischer Wissenschaften werden formale Schlüsse bezogen auf praktische Begriffe und Sätze behandelt, in diesem Fall konkret auf Normen oder (pragmatische oder technische) Regeln. Da praktische Theorien sowohl empirische Aussagen als auch praktische Normen oder Regeln enthalten, müssen zuerst empirische Aussagen sowie Aussagen über Normen und Regeln mit den oben geschilderten wahrheitsdefiniten Logiken analysiert werden. Mit Hilfe folgender nicht wahrheitsdefiniten Logiken werden dann praktische Forderungssysteme analysiert oder, präskriptiv formuliert, folgende Logiken müssen von praktischen Normierungen und Regulierungen beachtet werden:

  • A. Normenlogik (Tun-Sollen, nicht Sein-Sollen (von Wright 1977g [1974]. Zur Logik der Normen vgl. Kalinowski 1973, von Kutschera 1973. Zur Logik allgemein vgl. von Kutschera/Breitkopf 2007, Stuhlmann-Laeisz 1983, 1986).
  • B. Juristische Logik (Weinberger 1970).
  • C. Durchführungslogik: Technische Regeln und ihre formalen Beziehungen können nicht mit der Aussagen- und Modallogik wiedergegeben werden, sondern bedürfen einer Durchführungslogik aufgrund der logischen Struktur des technischen Wissens. Die Prädikate sind entweder effektiv oder uneffektiv. Das technische Wissen hat damit einen Sui-generis-Charakter und Technikwissenschaften sind keine angewandte Naturwissenschaft (Bunge 1967b, Poser 2008b, Kornwachs 2008, Kornwachs 2012). „All of this shows that we have to concentrate on methods, not on an ontology of artifacts, in order to mark the Difference between sciences and engineering“ (Poser 2001: 195, vgl. Poser 2012 [2001]: 315). „Therefore, engineering as an applied science cannot consist in the application of pure science, even if the sciences might be and are helpful with respect to theoretical boundaries. Applied sciences have their own goals, and, consequently, their own methods“ (Poser 2001: 197). Diese Ergebnisse der Technikphilosophie sind auch für die Politikwissenschaft wichtig, weil man auch hier meint, dass mit Hilfe von Umkehrungen von Kausalsätzen angewandte Wissenschaften oder Wissen begründet werden können (Kapitel 3.1).
Hier geht es weiter zum Kapitel Ebene der Argumentationsweisen (3.8).

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Quelle: lauer.biz/methodenstreit/index.htm
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