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Die Unternehmen müssen sich mit zwei unterschiedlichen gesamtwirtschaftlichen
Aspekten auseinandersetzen:
(1) Eine zunehmende Spezialisierung der Wirtschaft ist zu erwarten.
Dies führt dazu, daß sich der heimische Markt verkleinert und
die Unternehmen sich nach weiteren größeren Märkten umsehen
müssen.
(2) Die Unternehmen müssen sich mit dem EU-Binnenmarkt und
dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auseinandersetzen. Die
Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit ermöglicht es
allen Unternehmen in neuen Märkten innerhalb der EU und ab 1993 auch
innerhalb der EFTA-Staaten (Schweiz, Österreich, Norwegen, Schweden,
Finnland und Island) ihre Produkte und Dienstleistungen anzubieten.
Aufgrund der Spezialisierung und des Gemeinsamen Marktes sind die Unternehmen
einer größeren Konkurrenz ausgesetzt. Daher Sie sind gezwungen,
ihre Unternehmensstrategien zu überarbeiten. Sie müssen Ihre
neuen Konkurrenten, die auf den heimischen Märkten auftauchen, kennenlernen
und zweitens müssen sie neue Märkte erobern.
Warnung: Die Konsumentenwünsche, ohne deren Befriedigung
eine Ausnutzung der Möglichkeiten des Binnenmarktes nicht möglich
ist, können die Vorteile der EU-Harmonisierung gänzlich zerstören.
Daher ist der Binnenmarkt für das Marketing auch in Zukunft eine besondere
Herausforderung.
Mit den Möglichkeiten des Marketings, die jeder Unternehmer aus der
Handhabung im Inland kennt, müssen die einzelnen Segmente des EWR-Marktes
(Länder oder Regionen) bearbeitet werden. Dies bedeutet, daß
unter Umständen für jedes Marktsegment eine andere Werbung für
das gleiche Produkt gemacht werden muß, im Extremfall muß das
gleiche Produkt weiterhin in verschiedenen Variationen hergestellt werden.
Die Vorteile des Binnenmarktes (gemeinsame Normen, gegenseitige Anerkennung
der nationalen Normen etc.) können durch die unterschiedlichen Konsumentenwünsche
und -gewohnheiten aufgehoben werden.
Das Euro-Marketing sollte eine zielgerichtete Kombination aller Instrumente
der internationalen Unternehmungsführung und des Marketings überhaupt
enthalten, damit eine planvolle und systematische Bearbeitung der europäischen
Märkte erfolgen kann.
Sowohl die Marketing-Instrumente wie die Methoden der Informationsgewinnung
bleiben im wesentlichen die gleichen wie beim Inland-Marketing. Ein Euro-Marketing
muß darüber hinaus folgende Schwierigkeiten bewältigen:
- höherer Informationsbedarf;
- schwierigere Informationsbeschaffung;
- zusätzliche und höhere Risiken.
Allgemeine Regel: Man unterschätzt den Markt und man überschätzt
sich selbst.
Aufgrund der oben genannten gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen müssen
die Betriebe ihre Potentiale neu erkennen und nutzen. Dies geschieht erstens
durch eine Markterkundung, zweitens durch einen gezielten Einsatz aller
Marketing-Instrumente und drittens durch eine Unternehmensanalyse.
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Langfristige Erfolge sind nur durch eine systematische Markterkundung zu
erzielen. Die Aufgabe besteht darin, die europäischen Märkte
kennenzulernen, um die Marktchancen bzw. Risiken der eigenen Produkte und
Dienstleistungen zu erkennen.
2.1 Politische und rechtliche Situation
Das Ziel des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
(EWG, 1957) war eine vollständige Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen
und die Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtssystems.
Dieses Ziel wurde nicht erreicht und kann aus politischen und kulturellen
Gründen nicht durchgesetzt werden.
Seit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA, 1985) wird nicht
mehr eine Harmonisierung um jeden Preis angestrebt, vielmehr hat das Subsidiaritätsprinzip
an Bedeutung gewonnen; diesem Prinzip zufolge wird die Gemeinschaft tätig,
wenn sich die gesetzten Ziele besser auf Gemeinschaftsebene als auf einzelstaatlicher
Ebene erreichen lassen. Die EG strebt seit der EEA neben einer Harmonisierung
der Rechtsordnungen, die nach wie vor ein Ziel ist, eine gegenseitige
Anerkennung der nationalen Gesetze und Vorschriften an.
Weiterhin kündigt die Kommission für bestimmte Fragen rechtlich
nicht verbindliche Texte an, für die die Mitgliedstaaten oder
die Sozialpartner zuständig sind, die sich jedoch in allen Gemeinschaftsländern
in ähnlicher Weise stellen. Das Ziel dieser Texte ist: unter Wahrung
von nationalen Gepflogenheiten eine gewisse Abstimmung der Initiativen
zu fördern. Damit erfolgte eine Stärkung des Föderalismus
und eine Abwendung von einem unnötigen Zentralismus.
Für die Unternehmen hat dieses folgende Konsequenzen:
(1) Neben dem deutschen Rechtssystem gewinnt die EG-Gesetzgebung zunehmend
an Bedeutung. Die Unternehmen müssen auch bei der Inlandstätigkeit
beide Rechtssysteme bei Ihren Entscheidungen berücksichtigen.(2) Wenn Unternehmen im Gemeinsamen Markt tätig sind, dann müssen
12 nationale und 1 europäische Gesetzgebung berücksichtigt werden,
hinzu kommt ab 1993 die nationalen Gesetze der EFTA-Länder. Der Beratungs-
und Informationsaufwand wird daher beträchtlich steigen.
Der Binnenmarkt trägt zu einer verstärkten politischen und rechtlichen
Sicherheit für alle Unternehmen bei. Die Gefahren von inneren Konflikten
(Streiks) und staatliche Einflußnahme auf volkswirtschaftlich
wichtige Branchen bestehen weiterhin. Weitere Marktwiderstände bilden
nichttarifäre Handelspraktiken (z.B. nationale Normen) und
die staatliche Bürokratie.
2.2 Wirtschaftliche Einflußfaktoren
Die Marktchancen für den Export von Produkten und Dienstleistungen
werden durch die wirtschaftlichen Gegebenheiten eines Landes bestimmt.
Daher muß der Bedarf und die Wettbewerbsstruktur ermittelt werden.
Wichtige Bedarfsfaktoren für die Ermittlung des Marktbedarfs
für Konsum-, Gebrauchs- und Indusstriegüter sind:
(1) das Bruttosozialprodukt, das Bruttoinlandsprodukt
und die Bevölkerungszahl anhand deren der Lebensstandard ermittelt
werden kann;
(2) die Infrastruktur (Verkehrswege, Kommunikationsnetze, Gesundheitswesen,
Bildungswesen u.a.);
(3) die Industrieproduktion, ihre Struktur und regionale Verteilung
gibt Hinweise auf den Bedarf einzelner Branchen, desgleichen die Höhe
und Struktur der Investitionen;
(4) die Direktinvestitionen von großen deutschen Unternehmen
in den europäischen Ländern eröffnen weiterhin Chancen für
Zulieferbetriebe;
(5) die Importstruktur zeigt den Bedarf an, den ein Land nicht
decken kann;
(6) die Exportstruktur zeigt die Stärken der heimischen
Industrie und eröffnet Möglichkeiten einer Zusammenarbeit in
der Bundesrepublik;
(7) wichtige Rohstoffvorkommen geben Aufschluß über
Nachfragepotentiale.
2.3 Geographische, kulturelle und soziologische Gegebenheiten
Marktnähe erlaubt eine bessere Kenntnis der Märkte, kurze
Transportwege, geringe Kosten bei der Marktaufbereitung geben dem Handel
weiterhin positive Impulse.
Anhand der kulturellen, geographischen und soziologischen Faktoren wird
das Verhalten gegenüber ausländischen Geschäftspartnern
und Produkten ermittelt.
Die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen setzt die Aufnahme von persönlichen
Beziehungen voraus. Dabei muß besonders auf die Sitten und Gebräuche
geachtet werden.
Die sprachliche Barriere kann durch Einstellung von Mitarbeitern
aus anderen europäischen Ländern oder durch Weiterbildung der
eigenen Mitarbeiter überwunden werden.
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3.1 Produktpolitik
Die Produktpolitik umfaßt sowohl alle Entscheidungstatbestände,
die sich auf eine marktgerechte Gestaltung der Produktpalette beziehen,
als auch die Verpackungs-, Marken- und Kundendienstpolitik (eventuell auch
Garantieleistungen). Entscheidungsalternativen sind: Produktinnovation,
-variation und -elimination. Die Produkte müssen konsequent auf die
Bedürfnisse der Auslandmärkte eingestellt werden.
Europäische Marken müssen sich den kulturellen, geschmacklichen
und technischen Besonderheiten einzelner europäischer Regionen anpassen.
Die größten Vorteile vom Binnenmarkt werden eigentlich Marken
mit weltweitem Anspruch (z. B. in der Automobil- und Textilindustrie) und
deren Zulieferer haben.
3.2 Preis- und Konditionenpolitik
Die Preispolitik ist im nationalen Rahmen ein kurzfristig anpassungsfähiges
und rasch wirksames Instrument. Im internationalen Geschäft ändert
sich für die Unternehmen nichts. Die Konditionenpolitik (Liefer- und
Zahlungsbedingungen sowie Absatzfinanzierungsleistungen) wird den Betrieben
allerdings größere Schwierigkeiten bereiten. Das Europäische
Währungssystem (EWS) hat das Währungsrisiko weitgehendst eliminiert,
trotzdem müssen noch bis zu einer einheitlichen europäischen
Währung einige Probleme bewältigt werden.
3.3 Distributionspolitik
Dieser Bereich bezieht sich auf die Wahl der Absatzwege und die physische
Verteilung der Produkte/Dienstleistungen (Logistik). Möglichst hohe
Marktdurchdringung und weitgehendste Kundennähe sollten oberste Priorität
genießen.
3.4 Kommunikationspolitik
Die bei der Markterkundung gewonnenen Erkenntnisse über die verschiedenen
ethnischen, kulturellen, sprachlichen, klimatischen und kaufkraftmäßigen
Unterschiede im Wirtschaftsraum Europa müssen bei allen Instrumenten
der Kommunikationspolitik (Werbung, Public Relation, persönliche Akquisition,
Verkaufsförderung, Messe- und Ausstellungswesen) berücksichtigt
werden.
Die Unternehmensanalyse muß sowohl den Ausgangspunkt als auch den
Endpunkt aller Analysen bestimmen. Die konkrete Finanz-, Personal-, Produktions-,
Beschaffungs- und Entwicklungssituation des Unternehmens muß am Anfang
den Blickwinkel der Markterkundung beeinflussen. Danach sollten die konkreten
Marketingpläne aufgrund der Unternehmenssituation und den Marktgegebenheiten
erstellt werden.
Heribert Meffert: Marketing. Einführung in die Absatzpolitik.
7. Auflage Wiesbaden 1986.
Bruno Tietz: Euro-Marketing. Landsberg a. L. 1989.
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