Wer nun eine rationale Erörterung, ein pro und contra EURO erwartete,
mußte spätestens beim Fazit des Vortrages feststellen, daß
es ein pro aus ökonomischer Sicht überhaupt nicht gibt. Haben
aber nicht gerade über 50 renommierte Wissenschaftswissenschaftler
samt dem Wirtschaftsnobelpreisträger Reinhard Selten sowie vier Präsidenten
der sechs führenden deutschen Wirtschaftsinstitute behauptet, daß
es beim EURO zwar Risiken gibt, aber die Chancen bei weitem überwiegen.
Doch, doch, aber seine "geschätzten Kollegen" trauen sich aus wirtschaftlichen
Gründen nicht Ihre ehrliche Meinung zu sagen, schließlich erhielten
die Wirtschaftsinstitute Aufträge von der EU-Kommission. Dies gilt
auch für die anderen Eliten. Die Spitzen in den Parteien und Gewerkschaften
hätten einen pro EURO-Kurs, allein wegen der deutschen Vergangenheit,
ausgegeben und die nachfolgen Hierarchien trauten sich aus Angst vor einem
Kariereknick nicht Ihre sowie Volkes Meinung zu vertreten.
Der Professor tritt in allen Medien als Euro-Gegner auf, beim Eingang
konnte man sein letztes Buch erwerben, weiterhin wies er seine Zuhörer
darauf hin, daß die Verfassungsklage, die er und weitere drei Kollegen
verfasse, bald auch in Buchform erhältlich ist. Wer nun meinte, auch
Hankel könnten in diesem Zusammenhang ökonomische Überlegungen
leiten, wurde gleich eines Besseren belehrt: Prof. Hankel gehört nach
seiner Einschätzung zu dem "Häuflein Aufrechter" in diesem unserem
Land, die sich noch trauen für ihre Überzeugung einzustehen.
In Worms hatte Martin Luther vor Jahrhunderten verkündet: "Hier stehe
ich und kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen". Heute ziehen Menschen
mit solch edler Gesinnung direkt vors Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe,
danach vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in
Straßburg. Von einem Gang nach Straßburg war nicht die Rede,
von Europa erwartet der Professor schließlich nichts gutes. Böse
Unterstellung: vielleicht verwechselt er aber auch nur den Gerichtshof
der EU (EuGH) aus Luxemburg mit dem in Straßburg. Vorschlag: Wenn
Karlsruhe nicht hilft, vielleicht Straßburg. Eine Klage würde
sich in Buchform auch in diesem Fall blendend absetzen bzw. sichert die
Aufmerksamkeit des Publikums.
Wissenschaftler oder Prophet?
Es gab in der Geschichte keine Währungsunion ohne eine politische
Union. Aus dieser Tatsache kann man weder schließen, daß man
eine Währungsunion nicht machen sollte. Dies wird seit Hume, als "naturalistischer
Fehlschluß" gehandelt. Aus einem Sein folgt kein Sollen. Zweitens
kann man nicht ableiten, daß eine erfolgreiche Währungsunion
nicht möglich sei. Die Kritik am Induktivismus geht ebenfalls auf
Hume zurück. Popper, der von Hankel bewundert wird, teilt Humes Auffassungen
und setzt noch eins drauf: die Zukunft ist grundsätzlich offen. Man
kann also sowohl normative als auch empirische Argumente für und
gegen eine Währungsunion bringen.
Über 50 Wirtschaftswissenschaftler behaupten, daß die Chancen
beim EURO die Risiken bei weitem übertreffen würden. Hankel behauptet,
daß der EURO eine Katastrophe wird. Dies ist keine wissenschaftliche
Aussage, dies ist eine Prophezeiung. Da es keine Erfahrung mit einer Währungsunion
ohne Politische Union gibt, ist dies sicherlich ein Risikofaktor, aber
keine vorprogrammierte Katastrophe, wie Hankel behauptet.
Alle Thesen Hankels sind eher Verkündigungen oder Prophezeiungen
als wissenschaftliche Voraussagen. Bei allen seinen Thesen gehen Aussagen
und Urteile munter durcheinander, auch dies würde nicht gerade die
Zustimmung Poppers hervorrufen.
Leider geht die politische Auseinandersetzung in Deutschland nur noch
darum, ob wir in Himmel oder in die Hölle kommen, "Aufgang oder Untergang?".
Eine rationale Auseinandersetzung ist nicht zuletzt aufgrund der plumpen
Bonner Propaganda, die den Bürger weismachen will, daß der Euro
auf jeden Fall so hart wird wie die Mark, fast aussichtslos geworden. Dies
ist nicht seriös und erinnert fatal an die "blühenden Landschaften
im Osten".
Wegen Auschwitz würden die Deutschen seit drei Generationen zur
Kasse gebeten. Nun soll dies nach der Einführung des Euros in noch
größerem, die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik überfordernden
Ausmaße geschehen. Deutsche Erfahrungen mit einer Währungs- und Sozialunion
sprechen gegen die Europäische Währungsunion, so Hankel.
Der Haushalt der EU setzt sich hauptsächlich aus Einnahmen der
in den Mitgliedstaaten erhobenen Mehrwertsteuer, aus BSP-Eigenmittel, Zöllen
und Agrarabschöpfungen zusammen. Die Bundesrepublik wird wie alle
übrigen Länder mit Ausnahme Großbritannien, das seit Margret
Thatcher einen Sonderrabat bekommt, gleichbehandelt. Eine Sondersteuer Auschwitz gibt es nicht.
Wieso zahlen dann die Deutschen einen erhöhten Nettobeitrag mehr
als die Holländer oder Dänen, die ein höheres pro Kopf Einkommen
haben? Dies liegt an der zu Recht im Kreuzfeuer der Kritik stehenden Agrarpolitik,
die nach wie vor fast zwei Drittel der Haushaltsmittel verschlingt. Die
Mehrheit der Holländer würden wahrscheinlich von dieser Bevorzugung
weniger begeistert sein, wenn sie wüßten, daß Ihre geschäftstüchtigen
Bauern u.a. mit EU-Mittel in erster Linie Holland und halb Europa mit geschmacklosen
Tomaten beglücken.
In Europa soll eine Währungsunion und keine Sozialunion entstehen.
Es gibt weder Pläne noch überhaupt Gedankenspiele in die Richtung
einer gesetzlichen Rentenversicherungs-, Arbeitslosenversicherungs- oder
Krankensversicherungssystems auf EU-Ebene. Allein diese drei wichtigsten
Sozialsysteme sowie die steuerlichen Schlupflöcher sorgen für
den größten Transfer nach Ostdeutschland. Der Haushalt der EU
könnte nicht dahingehend erweitert werden, weil jede Erweiterung des
Finanzrahmens einstimmig beschlossen werden muß. Die Sozialausgaben
der EU betragen ca. 7 Milliarden jährlich und werden vor allem zur
Förderung benachteiligter Gruppen und Regionen eingesetzt. Die Sozialcharta
enthält Regelungen zum Arbeitnehmerschutz.
Auch wenn die Deutschen wegen Ihrer Vergangenheit, wie Hankel behauptet,
das letzte Hemd bereitwillig auf den europäischen Altar legen würden,
so gilt dies sicherlich nicht für andere Staaten und diese müßten
einer Haushaltserweiterung ebenfalls alle zustimmen. Der Haushalt der EU
darf laut europäischen Verträgen nicht größer sein
wie 1,27 des BSP der EU-Länder. Der Haushalt (ca. 160 Milliarden DM
für 1997) liegt zur Zeit weit unter den Mitteln die jährlich
in den Ausbau Ost gesteckt werden.
Entweder die Deutschen überweisen Riesensummen an Ihre Nachbarn
oder diese kommen nach Deutschland und nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze
weg und zerstören damit das deutsche Sozialsystem. Die Währungsunion
schaffe einen einheitlichen Arbeitsmarkt, damit steht Deutschland vor einem
erhöhten Einwanderungsdruck, so Hankel.
Den gemeinsamen Arbeitsmarkt hat der Binnenmarkt schon seit Jahren geschaffen.
Trotz der von Hankel immer wieder beschworenen großen Einkommensunterschiede
zwischen Deutschland und Portugal hat der Einwanderungsdruck auf Deutschland
im Zuge des Binnenmarktes abgenommen, sowohl aus Griechenland, als auch
aus Portugal und Spanien. Der Einwanderungsdruck auf Deutschland kommt
seit Jahren aus Nicht-EU-Staaten. Im Gegenteil: Die Aufnahme weiterer Staaten
Osteuropas wird den Einwanderungsdruck aus dieser Region, wie die Erfahrungen
mit den Mittelmeerländer zeigen, zurückdrängen.
Erwähnt soll noch, daß Prof. Hankel meint, die Währungsunion
führe zu einem "monetären Gefängnis". Die EZB hat nicht
die ausschließliche Zuständigkeit für die Währungspolitik,
wie die Deutsche Bundesbank. Daraus folgt, daß die Politiker bald
die Kapitalfreiheit abschaffen und es bald wie zur Nazizeit niemand mehr
sein Geld oder Vermögen aus der EU herausbringen kann oder nur unter
großen Verlusten. Spätestens bei diesem Gedankenblitz fragt
man sich, ob man nicht in einem schlechten Film ist.
Wie stabil wird der EURO?
Weltweit gibt es über 190 Währungen. Die Währungen der
OECD-Staaten sind die stabilsten. An der Währungsunion werden nur
OECD-Staaten teilnehmen. Mit größter Wahrscheinlichkeit wird
der Euro so stabil sein, wie die OECD-Währungen. Eher unwahrscheinlich
ist, daß der Euro wesentlich schwächer abschneidet, aber auch
daß er auf Anhieb neben dem Schweizer Franken die stabilste Währung
der Welt, d.h. so hart wie die Mark wird.
Wenn der Euro so stabil wird wie der US$, der größte und
wichtigste Konkurrent, dann hat man das Klassenziel auf jeden Fall erreicht.
Die Aufgabe der DM-Mark würde in diesem Fall, aufgrund der ökonomischen
Vorteile, die damit verbunden sind, den Tausch rechtfertigen. Von einem
politischen Preis, den die Deutschen entrichten, kann man erst sprechen,
wenn der Euro weicher als der US-Dollar bzw. anderen OECD-Währungen
wird.
Europa ist in fast allen Bereichen der Juniorpartner Amerikas. Allein
aufgrund des EU-Binnenmarktes waren die Europäer, der EU-Kommissar
Brittan nicht der Wirtschaftsminister Rexrodt, in den GATT-Verhandlungen
ebenbürtige Partner der USA. Die Währung ist das einzige Feld,
wo die Europäer nicht nur mit den Amerikanern gleichziehen wollen,
sondern wo Sie die Nummer 1 werden wollen. Wenn der Euro stabiler wird
wie der Dollar bzw. so hart wie die Mark, dann wird es sowohl ein wirtschaftlicher
wie ein politischer Erfolg ersten Ranges. Dieses Ziel verfolgen die Europäer
vor allem aufgrund deutschem aber auch holländischen Wunsch seit Jahren.
Mit der Konzeption der Europäischen Zentralbank als auch dem Stabilitätspakt
wurden in diese Richtung solide Grundsteine gelegt.
"Statt als Propheten zu posieren müssen wir zu den Schöpfern
unseres Geschickes werden" (Popper). Sowohl viele Befürworter als
auch Gegner des Euros betätigen sich als Propheten.
Hankels Prophezeiungen, Verkündigungen, Handelsanweisungen und
Urteile haben mit Wissenschaft rein gar nichts zu tun. Sie sind sicher
durch Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) gedeckt, weiterhin kann Hankel (Jahrgang
1926) mit unserer Nachsicht rechnen: Ab einem gewissen Alter genießt
jeder Narrenfreiheit. Sogar Popper, unbestritten einer der Bedeutesten Wissenschaftstheoretiker unseres Jahrhunderts, hat die Geduld seiner Bewunderer
und Zuhörer in seiner letzten Schaffensperiode nicht selten strapaziert.
Nachsicht und Narrenfreiheit steht Politikern, die Ihres Amtes walten
demgegenüber nicht zu. Wer seiner Verantwortung nicht gerecht
wird, sollte von alleine gehen bzw. wird hoffentlich bald abgewählt.
Bei der Grundsteinlegung für einen stabilen Euro ist gute Arbeit geleistet
worden, dies kann von der Vorbereitung der Einführung und Partizipation
der Bürger nicht behauptet werden.
Früher hieß es: "Hast einen Opa, schick ihn nach Europa".
Heute sind die politischen Prozesse auf europäischer Ebene sehr komplex.
Einige Opas finden sich hier nicht mehr zurecht und sehen daher nur noch
auf nationaler Ebene Betätigungsfelder. Heiner Geißler, der
Vordenker des Stillstandorts Deutschland – Weiter so, Deutschland – u.a.
haben dazu beigetragen, daß in Deutschland jedes auch noch so aberwitziges
Argument, das den Stillstand begründet will, offene Ohren findet.
Hinzu kommt, daß falsche Propheten hohe Auflagen, große Quoten
sowie volle Säle garantieren. Daher wird uns das Informationsmüll
dieser Herrschaften, ob wir wollen oder nicht, über das ein oder andere
Medium auch weiterhin erreichen.
Wie kann man sich angesichts dieser "neuen Unübersichtlichkeit"
(Habermas) gegen falsche Propheten wehren? Ich empfehle die Lektüre
Poppers Werke, allerdings die der ersten Schaffensperiode (bis 1970). Weit
wirkungsvoller wäre es, wenn die verantwortlichen Politiker und Bürokraten
auf EU-Ebene sowie im Bund Ihrer Verantwortung endlich nachkommen und eine
adäquate Informations- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Es
ist bedauerlich, daß man Lebenszeit mit solchen Auffassungen aus
der untersten Schublade vergeudet. Allein die Schäden, die durch diese
Prophetien und Halbwahrheiten entstehen können, rechtfertigen den
Einsatz.