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Tradition und Fortschritt verbinden

 




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1. Philosophie der Politikwissenschaft Seitenanfang

Die Wissenschaftsphilosophie hat sich im 20. Jahrhundert zu einem sehr umfangreichen und beachteten Spezialgebiet entwickelt, nicht nur innerhalb der Philosophie ist dies der Fall, sondern in allen wissenschaftlichen Disziplinen.

Die Politikwissenschaft ist hier leider Schlusslicht. In dem Handbuch “The Routledge Companion to Philosophy of Social Science” (McIntyre/Rosenberg 2017) gibt es zu allen Sozialwissenschaften (Geschichte, Politische Wissenschaft, Psychologie, Soziologie/Anthropologie und Wirtschaftswissenschaften) ein Kapitel. Das Kapitel über die Politikwissenschaft trägt den Titel “Why is there no philosophy of political science?” (Verbeek/McIntyre 2017).

Folgende Ziele verfolge ich dabei:

  1. Die axiologischen,epistemischen, methodologischen und ontologischen Grundlagen der Politikwissenschaft vorstellen. 
  2. Die Grenzen und Möglichkeiten politikwissenschaftlicher Forschung aufzeigen.
  3. Weiterhin wird der Unterschied zwischen Politischer Philosophie sowie Politische Theorie auf der einen Seite und Philosophie der Politikwissenschaft auf der anderen Seite herausgearbeitet.

Seminar-/Vortragsbeschreibung: Philosophie der Politikwissenschaft.

Projekt - Philosophie der Politikwissenschaft: Hier findet man die PDF-Versionen dieses Projektes in Englisch, Deutsch und Rumänisch:

2. Empirische versus praktische Methodologie

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Die zentrale Relevanz wissenschaftlicher Methodologie ist erstens deshalb gegeben, weil allein die Methodologie den Unterschied zwischen Wissenschaft und anderen Formen der Erkenntnisermittlung begründet und legitimiert. Die Wissenschaft ist der Ort, an dem wissenschaftliches Wissen generiert wird. An diesem Ort wird mittels der Methodologie wissenschaftliches Wissen garantiert und konstituiert, damit verleiht die Wissenschaft diesem Wissen wissenschaftliche Autorität (vgl. 1. Schaubild: Wissenschaftliche Operationen und wissenschaftliche Diskurse am Beispiel der Politikwissenschaft).

Die Methodologie hat in der Antike den Übergang vom Mythos zum Logos begründet, sie ermöglicht auch heute noch eine Unterscheidung zwischen Wissen und anderen Formen von Erkenntnissen, die nicht wissenschaftlich, d.h. nicht methodologisch und nicht systematisch, generiert werden. Drei Projekte bearbeite ich in diesem Bereich:

3. Themen: Europäische Union, Soziale Sicherheit und Internet/Generative KI

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Die Suche nach wissenschaftlichen Antworten auf politische Fragen bildet den Kern meiner Arbeit. Empirisch-analytische Antworten nehme ich zur Kenntnis, mein Anspruch besteht darin, praktische (normative, pragmatische, technisch-instrumentelle) Antworten mit wissenschaftlichen Werkzeugen (Begriffen, Sätzen, Theorien, Logiken, Argumentationsweisen, Methoden und methodischen Ansätzen) zu formulieren und zu begründen ( vgl. 2. Schaubild: Wissen versus Können und 3. Schaubild: Wissen (Theorie) versus Praxis (Handeln)).

Methodologische Fragestellungen können meiner Meinung nach nur innerhalb einer partizipativen Wissenschaftsmethodologie adäquat betrieben werden. Dies bedingt, dass man sich erstens mit philosophischen oder wissenschaftstheoretischen Fragestellungen auseinandersetzt (vgl. Praktische Wissenschaften); zweitens den konkreten axiologischen, begrifflichen, epistemischen, methodologischen und ontologischen Überlegungen innerhalb eines Faches nachgeht (vgl. Praktische Politikwissenschaft); drittens an konkreten, paradigmatischen Beispielen die erarbeitete Methodologie anwendet. Wissenschaftstheorie wird als partizipative Wissenschaftsmethodologie am Beispiel folgender konkreter Fragestellungen innerhalb der Politikwissenschaft betrieben:

4. Multilinguale Vorgehensweise

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Sprache und Mathematik sind die wichtigsten Werkzeuge für Wissenschaftler. Wenn man allein die Sprache als Instrument der Wissenschaften betrachtet, dann fallen zwei Besonderheiten auf: Erstens es gibt zig Sprachen und zweitens gehen Wissenschaftler überall auf der Welt dazu über, nur in Englisch, der heutigen Lingua franca, zu publizieren.
Ich möchte zeigen, dass Mehrsprachigkeit erstens die Leistungsfähigkeit der Sprache als Instrument der Wissenschaften steigert und dass Mehrsprachigkeit zweitens zur Reliabilität wissenschaftlicher Ergebnisse beiträgt, weil die Ergebnisse gleichzeitig in einer anderen Sprache reproduziert werden. Drittens ist Mehrsprachigkeit die grundlegendste Voraussetzung für Multikulturalität. Daher lohnt sich eine Publikation in mindestens noch einer Sprache neben Englisch. Eine Publikation in Englisch ist heute unbestritten unerlässlich. Zum Thema multilinguale Vorgehensweise habe ich einen Artikel verfasst:

2021: Mehrsprachigkeit oder Publikation ausschließlich in Englisch?
Zentrale Bedeutung von Mehrsprachigkeit für die Wissenschaft am Beispiel der Philosophie des Wissens.

5. Motto: Tradition und Forschritt verbinden

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Insbesondere am Beispiel dieser drei Themen (Europäische Union, Soziale Sicherheit und Internet/Generative KI) wurden wissenschaftliche Werkzeuge (Begriffe und methodische Ansätze) getreu meinem Motto „Tradition und Fortschritt verbinden“ erläutert, expliziert, präzisiert, rekonstruiert, neu entwickelt oder weiterentwickelt. Fortschritt ist nur auf der Grundlage der Tradition möglich und sinnvoll.

Wenn man sich zuerst die Tradition aneignet, vermeidet man auch unerwünschte Überraschungen. Neuentwicklungen sind nicht die Regel, denn Originalität wird häufig zu Unrecht reklamiert, obwohl es sich dabei nicht selten um einen Mangel an Literaturkenntnis handelt. "´Originalität ist Mangel an Literaturkenntnis´, hat ein intellektueller Spaßvogel einmal behauptet" ( Klaus Gustav Heinrich von Beyme, 2005: Das Zeitalter der Avantgarden: Kunst und Gesellschaft 1905-1955. München: C. H. Beck. S. 17).

Was du ererbt von deinen Vätern hast,/Erwirb es, um es zu besitzen“ (Johann Wolfgang von Goethe 1978 [1808]: Faust. Goethes Faust-Dichtungen. Bearbeitet von Gotthard Erler. Nachwort und bibliographische Hinweise Gerhard Pickerodt. München: Wilhelm Goldmann Verlag. S. 171 [Vers: 682-683]).

Seitenanfang 1. Schaubild: Wissenschaftliche Operationen und wissenschaftliche Diskurse am Beispiel der Politikwissenschaft
1. Analytische Operationen der Politikwissenschaft

 

 Analytische Diskurse

Analytischer Diskurs: Analytische Diskurse umfassen analytische Operationen und generieren analytisches Wissen. Dazu gehören vor allem politische Begriffe oder Kategorien aber auch Modelle zur Analyse der politischen Realität. Dabei handelt es sich um begriffliche oder logische Wahrheiten in Form von nichtempirischen, wahrheitsfähigen Aussagen.
2. Empirische Operationen der Politikwissenschaft
oder Operationen über das, was ist, oder das, was die politische Realität ausmacht, bestehend aus Aussagen (Beschreibungen, Erklärungen und Prognosen), auch Aussagen über geltende Normierungen und Regulierungen eines politischen Systems


Empirische Diskurse

2.1 Deskriptive Operation oder Beschreibungen der politischen Realität Deskriptiver Diskurs: Hier geht es darum, die politische Realität zu beschreiben. Das, was ist, rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit – mit deskriptiv-interpretativen Methoden entsteht ein Bild, wie sich der politische Alltag in einem politischen System gestaltet: Machtstrukturen, Abhängigkeiten und politische Entscheidungsprozesse werden ins Auge gefasst und näher beleuchtet. Dazu zählen etwa auch Aussagen über Handlungsmaximen (Leitlinien, Normen, Prinzipien und Werte). Diese werden erkannt und beschrieben, so z.B. das Sozialstaatspostulat, Artikel 20 des Grundgesetzes. Aber auch die detaillierte Beschreibung der Handlungsstrategien und Handlungsinstrumente wie etwa der sozialen Sicherheitssysteme gehört dazu.
2.2 Explanative Operation oder Erklärungen der politischen Realität

 
Explanativer Diskurs: Die politische Realität bedarf aber auch kausaler Erklärungen. Erklärungen gibt es z.B. für demographische Entwicklungen, aber auch dafür, warum sich die Sozialpolitik so und nicht anders entwickelt hat.
2.3 Prognostische Operation oder Voraussagen über die zukünftige politische Entwicklung Prognostischer Diskurs: Hinzu kommt die Notwendigkeit, Prognosen über zukünftige Entwicklungen abzugeben: Ein Blick in die Zukunft ist sinnvoll, um Entscheidungsträgern in der Gegenwart wichtige Informationen zur Verfügung zu stellen.
3. Praktische Operationen der Politikwissenschaft oder Operationen über das, was sein soll, enthalten Diskurse über Normierungen oder Regulierungen (Handlungsmaximen, Handlungsstrategien, Handlungsinstrumente, Handlungsanweisungen und praktische Urteile)

 Praktische Diskurse

3.1 Normative Operation oder normative Dimension von Politik
 
Normativer Diskurs oder Wertdiskurs: Hier sollten die politischen Handlungsmaximen erörtert werden, die für die Normierung oder Regulierung des politischen Systems insgesamt oder eines Politikfeldes entscheidend sind.
3.2 Pragmatische Operation, strategische Ebene oder Dimension von Politik Pragmatischer Diskurs oder Zieldiskurs: Hier sollten die politischen Handlungsstrategien erörtert werden, die für die Regulierung eines Politikfeldes entscheidend sind.
3.3 Technische Operation, die operative Ebene oder Dimension von Politik
 
Technischer Diskurs oder Mitteldiskurs: Hier sollten die politischen Handlungsinstrumente sowie einzelne Handlungsanweisungen erörtert werden, die für die Regulierung eines Politikfeldes entscheidend sind.

 

2. Schaubild: Wissen versus Können
1. Wissen, Theorie

Akteure: Wissenschaftler z.B. Politikwissenschaftler generieren empirisches oder/und praktisches Wissen, Naturwissenschaftler empirisches Wissen, Technikwissenschaften praktisches Wissen.

Wissensform: Analytisches Wissen in Form von Aussagen. Begriffliche und logische Wahrheiten in Form von nichtempirischen, wahrheitsfähigen Aussagen.
Wissensform:

Empirisches Wissen in Form von natur- oder sozialwissenschaftlichen Aussagen oder Aussagensysteme, auch Aussagen über Normen und Regeln.

Wissenschaftstyp:

Empirische (theoretische) Wissenschaften.

Beispiele: Naturwissenschaften, empirische Sozialwissenschaften.

Beim analytischen und empirischen Wissen handelt es sich auch um propositionales Wissen, weil beide in Aussageform formuliert werden.

Deskriptives Wissen in Form von natur- oder sozialwissenschaftlichen wahrheitsdefiniten Beschreibungen.

Explanatives Wissen in Form von natur- oder sozialwissenschaftlichen wahrheitsdefiniten Erklärungen.
Prognostisches Wissen in Form von natur- oder sozialwissenschaftlichen wahrheitsdefiniten Voraussagen.
Wissensform:

Praktisches Wissen in Form von praktischen Normierungen und Regulierungen

Wissenschaftstyp:

Praktische (normative, pragmatische und technische) Wissenschaften.

Beispiele: Medizinwissenschaften, Technikwissenschaften, praktische Sozialwissenschaften.

Praktisches Wissen besteht aus drei verschiedenen Komponenten:

  • Warum oder normative Komponente, bestehend aus ethisch-moralischen Wertungen, hier Handlungsmaximen,
  • wieso (pragmatische Komponente, Ziele und Zwecke, hier Handlungsstrategien),
  • und wie (technische Komponente, Mittel, hier Handlungsinstrumente) etwas gemacht werden soll.
Normatives Wissen in Form von Handlungsmaximen und normativen Urteilen, die richtig oder falsch bzw. gerecht oder ungerecht sind, z.B. ärztliche Ethik.
Pragmatisches Wissen in Form von Handlungsstrategien und pragmatischen Urteilen bestehend z.B. aus verschiedenen methodischen Ansätzen eine Krankheit zu heilen. Pragmatische Regeln sind klug oder unklug wünschenswert bzw. unerwünscht.
Technisches Wissen in Form von Handlungsinstrumenten und technischen Urteilen bestehend z.B. aus Methoden, die konkrete technische Regeln enthalten, eine Krankheit zu heilen. Technische Regeln sind effektiv oder uneffektiv.
2. Können

Akteure: Praktiker: Bürger, Politiker, Beamte, Verwalter, Unternehmer können politische Entscheidungen bewirken.

Praktische Kompetenz empirisches und praktisches Wissen umzusetzen, etwas machen können z.B. die Kunst des Arztes, Handwerkers, Ingenieurs, Lehrers, Managers, Politikers, Wissenschaftlers auf seinem Gebiet hervorragende Leistungen zu erbringen.

Das Können besteht aus Dispositionen, Kompetenzen, Fertigkeiten, wie man etwas macht. Hier handelt es sich um den Bereich, der unter dem Label implizites, nicht-propositionales Wissen behandelt wird. Es handelt sich nur um einen Teilbereich des Know hows, dem des praktischen Könnens.

 

Seitenanfang3. Schaubild: Wissen (Theorie) versus Praxis (Handeln)

1. Wissen (Theorie):

Erkenntnis- und Wissenssphäre

Ein Wissenschaftler ist immer ein Theoretiker egal, ob er mit einer empirischen Methodologie empirische Aussagen über die politische Realität trifft oder ob er mit einer praktischen Methodologie auch Normierungen bzw. Regulierungen begründet. Im ersten Fall generiert er empirisches Wissen, im zweiten praktisches Wissen.

Es gibt keine angewandte Wissenschaften, sondern nur praktische Wissenschaften sowie wissenschaftlich ausgebildete Praktiker, die Wissen anwenden, und Wissenschaftler, die Wissen generieren. 

2. Praxis (Handeln):

Sphäre des Handelns

Ein Praktiker (Bürger, Politiker, Beamter, Verwalter, Unternehmer) verändert die (politische) Realität, sei es nun, dass er auf wissenschaftlich begründetes empirisches und praktisches Wissen rekurriert und rationale Entscheidungen fällt oder subjektive Bauchentscheidungen trifft.

Theorie und Praxis werden komplementär und nicht hierarchisch gedacht. Auch eine Äquivalenz zwischen beiden, wie im Bacon-Programm üblich, wird abgelehnt.


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